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2. Mai 2016 – Behauptung falscher Tatsachen im Internet: Wie weit reicht der Beseitigungsanspruch?

Wer über einen anderen – zum Beispiel durch das „Posten“ auf seiner Internetseite – eine falsche Tatsache behauptet, kann von dem Betroffenen auf Unterlassung und Schadensersatz in Anspruch genommen werden. Das heißt, dass der Erklärende den Zustand wiederherstellen muss, der ohne seine Erklärung bestehen würde. Wer also im Internet etwas Falsches über einen anderen postet, muss seine Internetseite berichtigen und die Behauptung löschen. So einfach, so gut. Doch was muss der Erklärende alles machen, wenn seine Behauptung inzwischen von anderen Internetseiten aufgegriffen und weiterverbreitet wurde?

Der konkrete Fall: Rechtsanwaltskanzlei behauptet falsche Tatsachen über Aktiengesellschaft auf Internetseite

Diese Frage musste der Bundesgerichtshof in einem Fall entscheiden, in welchem eine Kanzlei auf ihrer Homepage über Geschäfte einer Aktiengesellschaft berichtet hatte (BGH, Urteil vom 28.07.2015, Az. VI ZR 340/14). Nachdem die Aktiengesellschaft die Kanzlei abgemahnt hatte, entfernte die Kanzlei die Berichterstattung zwar von ihrer Homepage. In der Zwischenzeit hatten aber andere Seiten die Behauptungen aufgegriffen und veröffentlicht. Daher war die Berichterstattung auch nach der Löschung des Ursprungsartikels noch über Suchmaschinen abrufbar. Deshalb zog die Aktiengesellschaft vor Gericht und zwar wieder gegen die Kanzlei. Diese möge dafür sorgen, dass auch die Berichterstattung der anderen Internetseiten über sie unterbliebe und somit sämtliche Spuren der falschen Behauptungen getilgt werden.

Beseitigung heißt auch Hinwirken auf Löschung

Der Bundesgerichtshof gab der Aktiengesellschaft teilweise Recht. Die Kanzlei könne nicht nur auf Berichtigung ihrer eigenen Homepage in Anspruch genommen werden, sondern müsse auch auf die Löschung einzelner Behauptungen in dem Artikel auf anderen Seiten hinwirken. Denn wer dazu verpflichtet ist, eine bestimmte Behauptung zu unterlassen, erfüllt diese Verpflichtung nicht einfach indem er nichts tut. Vielmehr muss er auch selbst tätig werden, wenn nur dadurch die Behauptung wieder aus der Welt geschafft werden kann. Aus dem Unterlassungs- wird somit ein Beseitigungsanspruch. Die Kanzlei muss also darauf hinwirken, dass auch andere Seitenbetreiber die Behauptungen von ihren Seiten nehmen.

Dagegen besteht aber keine Verpflichtung, dass die Behauptungen auf den anderen Seiten tatsächlich gelöscht werden. Es reicht vielmehr das Hinwirken auf die Löschung im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren aus. Denn der Erklärende hat gerade keine Zugriffsmöglichkeiten auf die fremden Internetseiten. Gefordert werden kann aber nur, was dem Erklärenden auch möglich ist.

Unter welchen Voraussetzungen muss auf die Löschung hingewirkt werden?

Die Pflicht auf die Löschung bei anderen Seitenbetreibern hinzuwirken besteht nur unter den folgenden Voraussetzungen:

1. Die Behauptung muss nachweislich falsch sein.

2. Die Pflicht muss verhältnismäßig und zumutbar sein. Das heißt, dass eine Abwägung zwischen den Interessen des Erklärenden – hier der Kanzlei – in Form ihrer Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Grundgesetz) und dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Betroffenen (Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz) – hier der Aktiengesellschaft – stattfinden muss. Kriterien dieser Abwägung sind vor allem die Schwere der Beeinträchtigung und ob das Hinwirken auf die Löschung überhaupt erforderlich und geeignet ist.

Was heißt überhaupt „Hinwirken“ auf die Löschung?

Unbeantwortet gelassen hat der Bundesgerichtshof die Frage, was genau unter einem Hinwirken auf die Löschung zu verstehen und wann diese Pflicht möglich und zumutbar ist. Dabei könnte zum Beispiel ausreichend sein, dass bereits eine einzige E-Mail mit der Aufforderung, die Behauptungen zu löschen, ausreichend ist. Auf der anderen Seite könnte aber auch eine Vielzahl von Aufforderungen zu fordern sein. Vom Bundesgerichtshof wird nur angemerkt, dass der Verpflichtete die Wahl hat, auf welche Weise er versucht, die Löschung zu erreichen.

BGH, Urteil vom 28.07.2015, Az. VI ZR 340/14

Fazit: Wer im Internet eine Äußerung getätigt hat, welche unter Umständen von anderen Internetseiten aufgegriffen wurde, sollte im Falle einer Abmahnung auf die Löschung der Behauptungen auf der anderen Internetsiete hinwirken und dies möglichst umfangreich dokumentieren. Das heißt man sollte E-Mails abspeichern, Screenshots machen oder die Schreiben durch einen Rechtsanwalt vornehmen lassen.

Ihr Ansprechpartner zum Medienrecht und für Fragen rund um die Meinungsfreiheit im Internet:

Rechtsanwalt Alexander Grundmann, LL.M.

Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht

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